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Wenig Personal, noch weniger Mittel: Beratungsstelle funkt SOS

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Zu wenig Personal und gekürzte Mittel bereiten Sinem Babuscu und Ümmühan Akbulut vom Jugendmigrationsdienst der Awo (3. und 2. von rechts) Sorgen, wie sie dem Werdohler Ratsmitglied Markus Schulte (als Privatperson vor Ort), Bettina Lugk und Susanne Jakoby (von links) erklärten.
Zu wenig Personal und gekürzte Mittel bereiten Sinem Babuscu und Ümmühan Akbulut vom Jugendmigrationsdienst der Awo (3. und 2. von rechts) Sorgen, wie sie dem Werdohler Ratsmitglied Markus Schulte (als Privatperson vor Ort), Bettina Lugk und Susanne Jakoby (von links) erklärten. © Krutzsch

In der (neuen) Gesellschaft ankommen, sich integriert und wertgeschätzt fühlen: Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund haben ihre ganz eigenen Probleme – und bedürfen daher auch gezielter Beratung und Unterstützung. Diese leistet unter anderem der Jugendmigrationsdienst (JMD) der Werdohler Awo-Beratungsstelle. Und dessen Mitarbeiter geraten an ihre Grenzen. Die Gründe: vor allem Personalmangel und die Kürzung der finanziellen Mittel.

Werdohl – Sinem Babuscu, Standortleiterin des Jugendmigrationsdienstes Märkischer Kreis Süd, und ihre Kollegin Ümmühan Akbulut stehen Menschen mit Migrationshintergrund bis zum Alter von 27 Jahren beratend zur Seite. Der JMD ist auf die Einzelberatung und Betreuung in Sachen Ausbildung, Schule, Aufenthaltsgenehmigungen, Familienprobleme, Zwangsverheiratung und Ähnliches spezialisiert.

Beim Werdohler JMD liege der Anteil syrischer Jugendlicher an der Spitze, gefolgt von jenen aus der Türkei. „Wobei man sagen muss, dass die Probleme vieler türkischer Jugendlicher bereits in der Familie gelöst werden. Die haben ihre eigene Community“, erklärten Babuscu und Akbulut beim Besuch der heimischen Bundestagsabgeordneten Bettina Lugk (SPD). Unter den syrischen Flüchtlingen befänden sich dagegen viele unbegleitete Kinder, die auf Familiennachzug hofften.

Damit leisten Babuscu und Akbulut einen besonders wertvollen Dienst für die Gesellschaft. Doch Unterstützung erführen die JMD-Mitarbeiterinnen nur sehr begrenzt, wie sie Lugk erklärten. Angefangen bei der personellen Ausstattung, berichteten Babuscu und Akbulut von weiteren Schwierigkeiten.

Vier Jugendmigrationsdienste der Awo gibt es derzeit im südlichen Märkischen Kreis: in Lüdenscheid, Meinerzhagen/Kierspe, Plettenberg und Werdohl. Alle seien insgesamt mit 2,5 Stellen besetzt – viel zu wenig, um allen Problemen gerecht zu werden, erklärten die JMD-Mitarbeiterinnen.

Präventionsarbeit vor ungewisser Zukunft

Erschwert würde die Arbeit durch Mittelkürzungen. Der Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 sah für die Jugendmigrationsdienste Kürzungen von mehr als 40 Prozent vor. Die Arbeit des JMD-Programms „Respekt Coaches“ zur Demokratiebildung und Extremismusprävention gegen Antisemitismus und Mobbing an Schulen hätte deswegen ganz eingestellt werden müssen, sagten Babuscu und Akbulut. Mit einer Etaterhöhung habe man dann dieses Bundesprogramm für 2024 retten können. Wie es aber im nächsten Jahr weitergeht, wisse man noch nicht. Lugk erklärte, sie sehe eine Chance, die finanziellen Probleme im Bundeshaushalt einzubringen, wenn die Bedarfe klar seien. „Da ist der dauernde Austausch wichtig.“

Vorher gäbe es aber bereits Gelegenheiten, Gespräche in den verschiedenen Ressorts zu führen und festzustellen, welche Gelder warum nicht abgerufen worden seien. „Die Ressortleiter verteidigen ihre Budgets zwar mit Zähnen und Krallen, aber gute Gespräche können hilfreich sein“, erklärte Lugk.

Susanne Jakoby (Betriebsleiterin der Awo für den Unterbezirk Hagen und den Märkischen Kreis, zuständig für Bildung, Beruf und Integration) sei es wichtig, mehr Planungssicherheit zu haben. „Wichtig ist ein unbefristeter Regeldienst, wir brauchen Verlässlichkeit für die Akteure. Bei mir gibt es keine befristeten Verträge.“

„Dringender Handlungsbedarf“

Die in letzter Zeit vermehrt auftretende Erkenntnis, dass Integration nicht nur an den Sprachbarrieren scheitert, sondern dass einige Kinder gar nicht richtig am Unterricht teilnehmen können, weil sie Analphabeten sind, machte Jakoby fassungslos: „Wieso kann man das nicht vorher erkennen, bevor diese Kinder in der Schule untergehen? Da ist dringender Handlungsbedarf.“

Abschließend wiesen Babuscu und Akbulut aber darauf hin, dass nicht alles negativ sei. Es gäbe auch positive Beispiele, wo Jugendliche die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und gute Schulabschlüsse erreicht hätten, oder bereits in der Ausbildung seien. „Die kommen dann auch oft weiterhin in die Beratung, denn viele Probleme können zwar gelöst werden, Probleme ändern sich aber auch. Manche kommen sogar und bieten ihre ehrenamtliche Hilfe bei den verschiedenen Projekten an.“

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